BMCR 2008.01.55

Rome and the Black Sea Region: Domination, Romanisation, Resistance. Black Sea Studies, 5

, Rome and the Black Sea Region: Domination, Romanisation, Resistance. Black Sea Studies, 5. Aarhus: Aarhus University Press, 2006. 186; ills. €31.95.

Table of Contents

Die vorliegende Publikation, deren geographischer Schwerpunkt das Gebiet der Provinz Bithynia et Pontus ist, umfasst neun Beiträge von Archäologen und Althistorikern. Die Beiträge sind im Zusammenhang mit der Konferenz des Danish National Research Foundation’s Centre for Black Sea Studies, die vom 23.-25. Januar 2005 in Esbjerg stattfand, gehalten worden. Der Band setzt die Reihe Black Sea Studies fort1 und widmet sich hauptsächlich dem Verlauf und den Folgen des Akkulturationsprozesses in den an das Schwarze Meer angrenzenden kaiserzeitlichen Provinzen. Lediglich die beiden letzten Beiträge von Carstens und Meyer haben andere Schwerpunkte.

In seiner Einführung bietet T. Bekker-Nielsen eine kurze Diskussion der im Untertitel des Bandes genannten Begriffe Domination, Romanisation, Resistance und führt in die Romanisierung der Schwarzmeer Region und die Themen der Beiträge ein. Der erste Beitrag From Kingdom to Province: Reshaping Pontos after the Fall of Mithridates VI (15-30) von J. M. Hjte beschäftigt sich an Hand dreier Themenkomplexe (Siedlungsmuster, Kalendersysteme, Epigraphik) mit den Auswirkungen der römischen Herrschaft auf die südliche Schwarzmeerküste und deren Hinterland. Im ersten Abschnitt widmet sich H. der Besiedlung des ländlichen Raumes, der unter römischer Herrschaft, wie H. an den Ergebnissen zweier Grabungsprojekte in Sinope und Paphlagonien aufzeigt, intensiver und dichter wird als in den vorhergehenden Perioden. Den Schwerpunkt des Beitrages bildet aber ganz ohne Zweifel die Auswertung von epigraphischem Material aus Amaseia, Amastris und dem inneren Paphlagonien, welches auf eine in der römischen Kaiserzeit stark zunehmende Praxis Inschriften bzw. Inschriftenmonumente zu setzen hinweist. Auch die Auswertung des Namensmaterials zeigt eine Angleichung an die römische Praxis und römische Verhaltensnormen.

In The Roman Army as a Factor of Romanisation in the North-Eastern Part of Moesia Inferior (31-41) zeigt L. Petculescu die Auswirkungen der starken Präsenz der römischen Armee auf dieses Grenzgebiet des römischen Reiches zwischen Donau und den Städten Histria, Tomis und Kallatis an der Küste des Schwarzen Meeres auf. Das von ihm präsentierte hauptsächlich epigraphische Quellenmaterial deutet P. als eindeutigen Beleg für die dominante Rolle der römischen Armee bei der Romanisierung dieses Teils der Moesia inferior. Die nachweisbaren Siedlungen, deren Organisation und Bevölkerungsstruktur zeigen deutlich die Bedeutung und Dominanz der römischen Armee bei der Durchdringung des Landes. Auch die griechischen Küstenstädte Tomis und Histria, deren epigraphisches Material ebenso wie das von Kallatis die Dominanz der griechischen Kultur in den urbanen Zentren der Küstenregion verdeutlicht, seien in graduellen Abstufungen von diesem Prozess betroffen gewesen.

D. Dueck widmet sich in Memnon of Herakleia on Rome and the Romans (43-61) der schwierigen Aufgabe, aus dem nur durch das Referat des Photios überlieferten lokalhistorischen Werk Memnons zur Geschichte seiner Heimatstadt Herakleia Pontike die Einstellung des Autors zu Rom herauszuarbeiten. D. rekonstruiert in einem ersten Schritt die historiographische Methode, den stark biographisch orientierten und moralisierenden Ansatz des wohl im 1. oder 2. Jh. n. Chr. schreibenden Autors. Im Hauptteil untersucht D. die Einstellung Memnons zu Rom an Hand einiger Beispiele aus dem bis 47 v. Chr. reichenden Werk. Klar werden die auf Herakleia eingeschränkte und lokalpatriotische Perspektive Memnons aufgezeigt. Das Werk jedoch, so der Schluss D.’s, weise “no significant conflict between patriotism and Roman loyalty” auf (58).

J. M. Madsen führt die Untersuchung der Einstellung der griechischen Oberschicht gegenüber den römischen Machthabern und den von ihnen ausgehenden kulturellen Einflüssen in seinem Beitrag Intellectual Resistance to Roman Hegemony and its Representativity (63-83) fort. Im Mittelpunkt stehen einerseits die Reaktionen von Angehörigen der intellektuellen Elite, wie Plutarch, Dion von Prusa, Flavius Philostratos, Arrian, Cassius Dio und Aelius Aristeides und andererseits das Verhalten der Oberschicht in der Provinz Bithynia et Pontus. M. betont dabei, dass die kritische oder positive Sicht römischer Herrschaft und Kultur bei den behandelten Autoren mehr in den persönlichen Lebensverhältnissen und —umständen sowie den jeweiligen historischen Bedingungen zu suchen sei, als etwa in einer allgemeinen in der Tradition der zweiten Sophistik zu suchenden ablehnenden Haltung gegenüber Rom. Vor allem sei solch literarisch geäußerte Kritik an Rom und seinem kulturellen Einfluss kein Zeichen für eine allgemein kritische Haltung der Oberschicht, sondern vielmehr “as a criticism of the increased Greek interest in Roman traditions and the widespread adoption of Roman identity” (81) zu sehen. Seine Argumentation untermauert M. mit dem Verhalten der städtischen Eliten der Provinz Bithynia et Pontus. Ihre politischen Karrieren, die teilweise bis zum Konsulat führten, und die Art ihrer statusbewussten Selbstdarstellung als römische Bürger im lokalen Kontext sprechen nach M. für eine weitgehende Integration römischer Verhaltensnormen und einer darauf basierenden Annahme der “roman identity”.

Den Spuren der thrako-bithynischen Bevölkerung geht T. Corsten in The Role and Status of the Indigenous Population in Bithynia (85-92) nach. Der Beitrag stützt sich auf die vorwiegend onomastische Auswertung des epigraphischen Materials von vier Städten (Nikaia, Nikomedeia, Prusa ad Olympum und Kios). Während nach C. in hellenistischer Zeit ein großer Teil des fruchtbaren Landes in Bithynia in der Hand einer thrakischstämmigen Elite war, zeigt das Namensmaterial in der römischen Kaiserzeit vorwiegend römische Landbesitzer. Die thrako-bithynischen Bevölkerungsanteile hingegen lassen sich größtenteils nur noch in der Mittel- und Unterschicht nachweisen. Standen bei den bisherigen Artikeln meist die Perspektive der Provinzialbewohner im Vordergrund, zeigen die folgenden beiden Artikel von Woolf und Bekker-Nielsen die Perspektive der römischen Herrschaftsmacht. G. Woolf bezweifelt in Pliny’s Province (93-108) den bisher angenommenen hohen Quellenwert der Briefe des 10. Buches der Plinius-Briefe für die Provinzverwaltung und das Leben in Bithynia et Pontus. In durchaus anregender Weise hinterfragt er die bisherige Forschungsperspektive auf die Briefe des 10. Buches und sieht diese vielmehr in der Tradition der ersten neun Bücher als literarische Konstruktion und Form der Selbstdarstellung. Nicht die Provinz Bithynia et Pontus stehe im Mittelpunkt, sie sei vielmehr nur eine austauschbare Folie, vor deren Hintergrund neben dem biographischen und didaktischen Anliegen des Plinius vor allem das generelle Verhältnis und die Einstellung der römischen Oberschicht zu den Provinzen und die bei der Verwaltung einer Provinz zugrundegelegten Wertvorstellungen deutlich werden.

Die informalen und informellen Bedingungen politischer Handlungen und Entscheidungen in den Städten der Provinzen sind der Untersuchungsgegenstand des Beitrages Local Politics in an Imperial Context (109-117) von T. Bekker-Nielsen. B.-N. greift dabei vier zentrale Bereiche (“the power of money; the power of minor municipal officials; the power of Rome; the power of rumour and innuendo”) heraus und erläutert diese an Hand von zwei Fallbeispielen.

Der Beitrag von A. M. Carstens Cultural Contact and Cultural Change: Colonialism and Empire (119-131) ist der einzige, der sich sowohl chronologisch, wie auch teilweise geographisch vom Thema des Bandes entfernt. Sie beschäftigt sich mit Sardeis, Halikarnassos und Daskyleion in der Zeit der achaimenidischen Vorherrschaft. Ziel des Beitrages ist jedoch mehr die Theorie geleitete Auseinandersetzung mit dem Phänomen des kulturellen Kontakts und Wandels auf der Grundlage von C. Gosden.2 Sie geht dabei ebenso auf die Rekonstruktion von Akkulturationsprozessen in der Archäologie ein, wie auch auf die Frage nach dem Verhältnis von Macht und Kultur in Großreichen wie dem persischen und römischen Reich.

Auch J. Ch. Meyer bezieht sich in What Have the Romans ever Done for Us? (133-149) nicht auf den Schwarzmeerraum, sondern auf den jüdischen Widerstand gegen die römische Herrschaft. Ausgehend von den historischen Beispielen entwickelt M. ein stark schematisiertes und soziologisch geprägtes Modell der jüdischen Identität, die er zugleich als atypisch für die antike Provinzialbevölkerung schildert. Diese starke jüdische Identität sei in der engen horizontalen Vernetzung der jüdischen Bevölkerung zu sehen. Darauf aufbauend bietet M. dann am Ende seines Beitrages ein Modell in vier Phasen ( Conquest/Domination, Consolidation, Adaption, Full integration), das für Gesellschaften “with strong vertical cohesion and multi-identities” (148), denen der größte Teil der römischen Provinzialbevölkerung zuzurechnen sei, den Prozess der Romanisierung fassbar machen soll.

Man vermisst nach der instruktiven Einführung von T. Bekker-Nielsen bei den meisten Beiträgen die Auseinandersetzung mit dem heuristischen Wert der verwendeten Begriffe Domination, Romanisation, Resistance, Identity oder ihrer Modellierung und Operationalisierung. Bedauerlich ist auch die Kürze mancher Beiträge, die sich teilweise auf die Nachvollziehbarkeit der Argumentation niederschlägt und häufig keine Diskussion der eigenen Ergebnisse oder eine Einordnung der Ergebnisse in die Forschungsdiskussion um den Akkulturationsprozess in den östlichen Provinzen zulässt. So fehlt zum Beispiel dem kurzen Beitrag von Corsten, der eine tiefgreifende Umgestaltung der Besitzverhältnisse auf dem Land für Bithynia konstatiert, oder auch dem interessanten Beitrag von Hjte eine Einordnung des Geschilderten in die Diskussion um den Charakter von Romanisation und Domination. Auch die beiden letzten Beiträge von Carstens und Meyer hätten, so wertvoll sie im theoretisch-methodischen Bereich auch sind, durch einen Bezug zum Schwarzmeerraum sicherlich mehr Ertrag für die Fragestellung des Bandes erbringen können. Die meisten Beiträge sind jedoch sicherlich eine echte Bereicherung der Diskussion um Romanisierung, Akkulturation und Identität auf der einen und der Geschichte der Schwarzmeer Region auf der anderen Seite. Petculescu gelingt es in seinem sehr lesenswerten Beitrag zur Romanisierung der Moesia inferior sehr deutlich die Rolle der römischen Armee bei der Romanisierung nachzuweisen. Die zugleich anregenden und provozierenden Beiträge von Madsen und Woolf vermögen es durchaus neue Perspektiven aufzuzeigen. Man kann der Argumentation von Woolf sicherlich in einigen Punkten widersprechen, zweifellos aber gelingt es dem Autor durch seinen Beitrag in anregender Weise den Blick für die künftige Analyse und Auswertung der Plinius-Briefe des 10. Buches zu schärfen. Der Verdienst des Beitrages von Bekker-Nielsen ist es die Bedingungen lokalen politischen Handelns zu verdeutlichen und damit in Ansätzen die Vernetzung von lokalen, provinzialen und reichsübergreifenden Faktoren aufzuzeigen. Eine Thematik, die für die Diskussion um die Identität und Romanisierung der provinzialen und politischen Elite in den Provinzen ganz zweifellos von Bedeutung ist. Auch die Vielfalt der Ansätze und inhaltlichen Schwerpunkte ist positiv zu vermerken, so dass der Band für alle an der antiken Geschichte der Schwarzmeer Region Interessierten eine Bereicherung darstellen wird. Die verschiedenen Indices zu Personen, Geographica und Quellen am Schluss erleichtern die Arbeit mit den Beiträgen des Bandes. Herausgeber und Verlag sind abschließend ein Kompliment für die sorgfältig und ansprechende Edition des Bandes zu machen.

Notes

1. Zuletzt erschienen Pia Guldager Bilde, Vladimir F. Stolba (Hrsg.): Surveying the Greek Chora: The Black Sea Region in a Comparative Perspective. Black Sea Studies, 4. Denmark: Aarhus University Press, 2006. BMCR 2007.05.06.

2. Chris Gosden: Archaeology and colonialism. Cultural contact from 5000 B.C. to the present. Cambridge, UK: Cambridge Univeristy Press 2004 (Topics in contemporary archaeology).