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5. Juli 1934, KZ Oranienburg
(http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/antisemitismus/kz/)

Ich muss mich während den nächsten zwei Tage selbstermorden oder die Nazis werden mich ermorden. Ich will es für sie nicht leicht machen, ich tue es nicht. Wenn sie mich tot wollen, müssen sie es selbst machen. Eikes Aduant hat mir das gestern gesagt. Alles ist hier im Lager sehr verrückt nach "der Nacht die langen Messer".

(http://www.dm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/roehm/index.html) Die Häftlinge alle bemerken, dass die Offizielle in politischen Aufruhr sind. Sie denken, dass wir es nicht wissen. Es geht das Gerüscht, dass es viele innere Ermordungen gab. Wir sind nicht sicher, aber danach gab es neue Wächter beim Lager. Vielleicht hat es etwas mit der SS zu tun. Sie haben Angst vor meinem politischen Einfluss, deshalb wollen sie mich tot. Obwohl meine Ohren ganz infiziert sind, kann ich immer noch hören. Sie denken wir "Untermenschen" sind alle blöd, aber wir sind nicht blind, wir sehen was passiert ist.

Ich mache die Wächter und kommunistischen Häftlinge nervös, weil sie wissen, dass meine politischen Ideen sehr extrem sind. Ich lache oft und rezitiere Gedichte. Sie wissen nicht, was sie denken sollen. Deshalb denken sie, dass ich gefährlich und verrückt bin. Ich bin fast vernüftig nur sehr Einsam. Aber ich habe noch meine Gedichte. Obwohl ich weiss, dass ich sterben werde, will ich, dass mein Sterben problematisch für die Nazis ist.


"Meine Pforte ist aus Eisen,
meine Pritsche hart und schmal.
Tausend Rätsel, tausend Frage
Mache manche Menschen dumm.
Ich hab eine nur zu tragen:
Warum sitzt ich hier? Warum?
Hiterm Auge wohnt die Träne
Und sie weint zu ihrer Zeit.
Eingesperrt sind meine Pläne
Namens der Gerechtigkeit.
Wie ein Flaggstock sind Entwürfe,
Den ein Wind vom Dache warf.
Denn man meint oft, dass man dürfe,
Was man schliesslich doch nicht darf."

(Bibliography: Erich Mühsam's "Tagebuch aus dem Gefängnis" Mühsam, Erich. Scheinwerfer. Verlag Klaus Guhl. Berlin, 1978. page 44.)


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