1962-1984

Vergangenheitsbewältigung

Catherine LeGraw
Sashka Luque
Matthew Rao

DER SPIEGEL 31/5/1962

Gerechtigkeit ist getan worden. In dem Gefängnis Ramleh, wurde Adolf Eichmann (http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/EichmannAdolf/), der berühmte "Mann im Glasstand" heute zum Tod verurteilt. Eichmann, der auf allen 15 kriminellen Anklage als schuldig erklärt wurde, wurde gehängt und eingeäschert. Seine Asche wurde über das Mittelmeer verstreut.

Wie viele von unseren Lesern vermutlich sich erinnern können, war Eichmann das Chef hinter der ,,Endlösung der Judenfrage", die die nationalsozialistische Bezeichnung für die systematische Vertreibung und Ermordung der Juden war. Jedoch begann die Beteiligung Eichmanns in den jüdischen Angelegenheiten 1932, als er der Nazi Partei beitrat und später ein Mitglied der SS wurde. 1934 wurde er ein SS-Stabsunteroffizier in dem Konzentrationlager Dachau und trat dem SD bei. Bis 1935 wurde Eichmann der jüdischen Abteilung des SD zugewiesen. In Gegensatz zu anderen Nazibeamten wurde von Eichmann seiner Stelle besessen. Er erlernte Hebräisch, Jiddisch und studierte jüdische Führer und Kultur . Es war in dieser Zeit als Eichmann auf mögliche "Lösungen der jüdischen Frage" arbeitete. Er wurde sogar nach Palästina geschickt, um mit arabischen Führern über die Masseneinwanderung von Juden in den Mittelosten zu handeln. Jedoch erzwangen britische Behörden ihn das Land zu verlassen. Mit dem Anschluß von seiner Heimat Österreich im März 1938 wurde Eichmann nach Wien geschickt, um die Deportierung der Juden zu leiten. Er gründete die jüdische Auswanderungszentralstelle, die ihm Erfolg brachte, so dass ähnliche Büros in Prag und in Berlin hergestellt wurden. Eichmann wurde 1939 nach Berlin zurückgebracht, wo er die

DER SPIEGEL 31/5/1962

Direktion der jüdischen Angelegenheiten und der Evakuierung in der Reichssicherheit Hauptleitung annahm. Es war 1942, als Eichmann die Wannsee Konferenz organisierte, wo die ,,Endlösung der Judenfrage" erfunden wurde. Von diesem Zeitpunkt an, war die Hauptaufgabe Eichmanns die Zwangsverschickung der Juden zu den Todeslagern und die Ausbeutung des Eigentums der Juden durch Aneignung.

In den Worten von Mordechai Ansbacher, ein Überlebender des Konzentrationlagers Theresienstadt, war Eichmann auf seine Lager, besonders Therienstadt, stolz. Das Lager wurde als falsche Darstellung des Konzentrationlagers der Welt vorgestellt. Es gab Theaterprogramme, Schulen, Konzerte, usw. Jedoch waren alle Juden in Theresienstadt, für Auschwitz bestimmt, nachdem die fremden Beamten von dem Lager weggegangen waren. Als der Krieg endete, wurde Eichmann in einem amerikanischen Internierungslager festgehalten, aber sie haben ihn entlassen. Er floh dann nach Argentinien unter dem Namen Ricardo Klement. Es brauchte 10 Jahre und die Hilfe des Mossad, der israelische Geheimdienst, um schließlich Eichmann zu verhaften. Er wurde auf seiner silbernen Hochzeit festgenommen. Als er gefragt wurde, wie er mit sich leben könnte, nachdem er Millionen Juden zu ihrem Tod geschickt hatte, antwortete er einfach, dass er nur Befehlen gefolgt sei.

Sein Tod bedeutet einen kleinen, aber wichtigen Sieg für die Juden.

Foto 1: http://www.pbs.org/eichmann/eich1.htm Foto 2: http://www.pbs.org/eichmann/eich22.htm



11.August 1964

Lieben Onkel Kurt,

Es tut mir leid, dich zu belästigen, aber ich habe ein Problem. Jetzt weib ich nicht, was ich tun soll.

Obwohl wir geheiratet haben, weil Heidi schwanger geworden war, liebe ich sie sehr. Seit unserer Hochzeit, als sie ein bisschen von dem Auschwitzprozeb [ http://www.dhm.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/KontinuitaetUndWandel/
GegenwaertigeVergangenheit/auschwitzProzesse.html
] gesehen hat, ist sie mit den Grausamkeiten des Holocausts ganz beschäftigt. Weil ich ihre Manie nicht ermutigen will, lehne ich es ab, mit ihr zur Täter zu gehen. Trotzdem erzählt sie jeden Tag, wenn ich vom Güterbahnhof zurück komme mir neue Tatsachen und Beschreibungen, die sie an der Täter gelernt hat. Gestern abend hat sie mich informiert, dass die Häftlinge in Auschwitz die Versuchspersonen in vielen medizinischen Experimenten [http://www.auschwitz-muzeum.oswiecim.pl/html/de/historia_KL/eksperymenty_ok.html] von Naziärzten waren. Die Wissenschaftler versuchten eine Sterilisierung an Frauen und Männern ohne Operation zu machen. Mit den Frauen benutzte der Arzt ein chemisches Mittel, und mit den Männern benutzte er Röntgenstrahlen. Ich bin besorgt um Heidi wegen ihrer Faszination mit diesen schrecklichen Angaben.

Ich schreibe dir, weil ich weib, dass du verstehst wie gefährlich es ist, um nur an tödliche Dinge zu denken. Ich verstehe, dass du vergessen willst, was du an der Ostfront [http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/kriegsverlauf/ostfront/] gesehen hast. Du sprichst niemals von dem Rückzug oder Deutschlands Kapitulation an den Russen. Vielleich kannst du Heidi helfen. Du mubt sie überzeugen, um diese Schreckenstaten zu vergessen. Ich denke, dass ihre Besessenheit zu weit gegangen ist, und ich habe Sorge um Beate. Ich fürchte, dab Heidi ihm Kriegsgeschichten zur Schlafenszeit lesen wird.

Wenn du mir helfen kannst, komm bitte bald zum Mittagessen oder für das Wochenende. Danke sehr.

Dein Neffe,
Heiner Auschwitzeingang [URL für das Bild: http://www.remember.org/jacobs/BirkEntrance.html]

1970

Dokument der Kündigung
Der Zuschauer, #1 Berliner Zeitung

Personalakten: Heinrich Schmidt
Betriebszugehörigkeit: 2.März 1969 - 11.Dezember 1970
Gründ für Kündigung: Er hat einen unpassenden Artikel geschrieben, der voreingenommen, radikal, und unpatriotisch war.
Abschrift des Interview (um seine Kündigung rechtzufertigen): Gehrhardt Lehmann, Hauptredakteur, Der Zuschauer: Ich habe Ihren Artikel über Bundeskanzler Brandts Besuch am Ort des Warschauen Ghettos (http://www.dhm.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/KontinuitaetUndWandel/
NeueOstpolitik/dieVertraegeVonMoskauUndWarschau.html
) gelesen. Möchten Sie etwas darüber sagen?

Heinrich Schmidt: Ich habe das Ereignis genau berichtet. Ich habe die Wahrheit gezeigt. Das ist der Beruf der Journalisten: um die Welt der Wirklichkeit zu zeigen.

GL: Sie sollen keinen Leitartikel schreiben, sondern Nachrichtensartikel. Im guten Journalismus gibt es keine Befangenheiten. Man muß keine Meinungen geben, sondern Tatsachen. Weiterhin ist Ihr Kommentar völlig unangebracht. Unser Kanzler hat einen respektvolligen Besuch nach Polen gemacht. Er versucht die Beziehungen zwischen den zwei Ländern zu stärken. Sie verspotten ihm. Sie haben sich vergriffen, aber ich sehe ein Talent in Ihren Schriftzügen. Wollen Sie eine Gelegenheit, um die Artikeln wiederzuschreiben.

HS: Ich kann diesen Artikel nicht ändern, weil ich ihn das erste Mal richtig geschrieben habe.

GL: Ich mag meine Stellung hier nicht. Ich kann Ihren Artikel nicht drucken. Auch, weil Sie meinen Vorschlag, um ihn noch einmal zu schreiben, ignorieren, muß ich Sie entlassen. Darf ich Sie fragen, warum Sie ihn so schreiben mußten? Warum ist dieser Artikel so wichtig?

HS: Ja, ich werde Ihre Frage beantworten. Kanzler Brandt (http://www.willy-brandt.org/) ist ein heuchlerischer Mensch, und das sehe ich seit vielen Jahren. Die Familie meiner Mutter kommt aus Polen, und sie sind wirklich katholisch. Willys Kniebeugung war abscheulich. Ich kann nicht heucheln, dass sein Besuch eine Ehre war. Willy Brandt
(http://www.dhm.de/lemo/objekte/pict/KontinuitaetUndWandel_photoBrandtKniefallBubi/)

1984
23. September 1984

Heute gingen Rike und ich in den Park. Ihre kleine Freundin Annabelle kam mit uns, weil ihre Mutter einkaufen gehen mußte. Die zwei sind unzertrennlich. Rike sagte, dass Annabelle jetzt ihre beste Freundin ist; letzte Woche sagte sie aber, dass Janette ihre beste Freundin war. Kinder sind sehr hübsch, wenn sie in der zweiten Klasse sind.

Rike und Annabelle rannten zu der Schaukel, als sie sie sahen. Sie hielten Händchen, und lachelten auf Französisch und Deutsch. Es gefällt mir, dass Rike Französisch so gut sprechen kann. Vor zwei Jahren, als wir in Stuttgart wohnten, konnte sie nur bis "dix" zählen. Annabelle lernt Deutsch in der Schule und spricht jetzt gut. Die beiden hilfen einander und lernen davon.

Die Ironie dieser Situation war nicht sofort ersichtlich, aber jetzt finde ich sie unheimlich. Gestern traff François Mitterrand und Helmut Kohl (http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/KohlHelmut/), ein Franzose und ein Deutscher, nur zwei Kilometer von unserem Park. Ich las die Zeitung heute; sie sagte, dass die Beiden ihre Händchen hielten, um sich an die Toten zu erinnern (http://www.inter-nationes.de/d/frames/gaz/didak1916.html). Vati und Onkel Jens kämpften in dem Zweiten Weltkrieg, und Jens starb in Normandie. Opa, denke ich, verlor seinen Bein hier in Verdun in 1916 (http://www.dhm.de/lemo/html/wk1/kriegsverlauf/verdun/index.html). Ich wundere mich, was sie sagen würden, wenn sie wüßten, dass ich jetzt in Verdun wohne. Vor zwei Jahren hatte ich ein bisschen Angst, als Wolfgang einen Beruf mit Renault bekam. Frankreich gefällt mir jetzt aber sehr, und es ist nicht schwer, unsere Familie in Stuttgart am Wochenende zu besuchen. Die Ähnlichkeiten zwischen den Franzosen und den Deutschen sind überwältigend, und ich verstehe jetzt, dass unsere Welt echt klein ist.

Ich weiß nicht, ob Annabelles Großeltern oder Onkels oder andere Verwandten in den Kriegen getötet wurden. Bestimmt weiß das Mädchen nichts darüber, weil sie zu jung ist; wir haben Rike nichts darüber erzählt. Wenn diese Kinder jetzt Hand-in-Hand laufen, dann müßen wir uns nicht vielleicht an die Toten erinnern. Stattdessen könnten wir in der Welt dieser Kinder wohnen, und nicht in der Welt des alten Konflikts.

Mitterand und Kohl in Verdun (http://www.dhm.de/lemo/objekte/pict/NeueHerausforderungen_photoKohlUndMitterrand/)


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