
Betäubung ist ein interessantes Thema in dem Vorleser. Im Verlauf des Buches sieht der Leser gleichzeitig das Fortschreiten von Michaels Betäubung und Michaels Schuldgefühlen. Am Anfang fühlt sich Michael sehr schuldig, weil er sich für Hannas Verschwinden verantwortlich hält. Somit fängt Michael an, seine Gefühle und Interesse für seine Umgebung zu verlieren. Er trägt diese Betäubung bis er die ehrliche Begründung von Hannas geheimnisvollem Benehmen herausfindet. Am Ende des Buches kann Michael endlich seine Gefühle ausdrücken und seine Schuld loslassen.
Das erste Mal, dass Betäubung überhaupt im Buch vorkommt, ist als Michael nach Hannas Verschwinden seine Gefühle beschreibt: "Ich präsentierte mich als einen, den nichts berührt, erschüttert, verwirrt ... Ich erinnere mich auch daran, dass ich angesichts kleiner Gesten liebevoller Zuwendung einen Kloß im Hals spürte ... Dieses Nebeneinander von Kaltschnäuzigkeit und Empfindsamkeit war mir selbst suspekt" (84). Michael ist früher voller Gefühl gewesen, aber Hannas plötzliches Verschwinden hat ihn schockiert. Er schützt sich gegen weitere Bedrängnisse, und tut, als ob ihn nichts belästigt.
Michael sieht Hanna zum ersten Mal nach ihrem Verschwinden im Gerichtssaal während Hannas KZ-Prozesses. Er fühlt nichts. Michael sieht die Frau an, mit der er viele glückliche Stunden verbrachte, aber empfindet dabei nichts-"ich erkannte sie, aber ich fühlte nichts. Ich fühlte nichts" (91). Obwohl der erste Moment des Erkennens bei ihm keine Gefühlsregung auslöst, hat Michael immer noch Gefühle für Hanna. Er kann dieses Gefühl einfach nicht ausdrücken, weil er Hanna nur als Erinnerung behalten will.
Durch den ganzen KZ-Prozess fühlt sich Michael durcheinander. Er hat alle seine Gefühle unterdrückt, denn er will sich selbst nicht analysieren. Er war noch nicht bereit, seine vergangenen Gefühle von Schuld zu sortieren und zu behandeln. Im dritten Kapitel geht Michael mit seinen Freunden Schi laufen. Da er kein Hemd trägt, bekommt er eine starke Erkältung und ein hohes Fieber. Er erklärt sich: "Meine eigene Diagnose ist, dass die Betäubung sich meiner körperlich bemächtigen musste, ehe sie mich loslassen, ehe ich sie loswerden konnte" (160). Hier sehen wir, dass Michael seine Gefühle zurückhaben möchte; er geht Schi laufen ohne Hemd um sie zurückzunehmen. Nur wenn Michael seine Rolle in Hannas Leben akzeptiert, kann er sein Leben zurückbekommen.